1. Berliner LKG-Symposion: Die Bilanz
Am 22. September 2007 fand auf Initiative der Gesellschaft für Kieferorthopädie von Berlin und Brandenburg e.V. und dem Institut für Kieferorthopädie, Orthodontie und Kinderzahnmedzin der Charité-Universitätsmedizin Berlin die erste Zusammenkunft dieser Art in Berlin statt. Die Veranstalter hatten Experten aus dem In- und Ausland zu verschiedenen Aspekten der Behandlung von Patienten mit Lippen, Kiefer- und Gaumenspalten eingeladen und bereits im Vorfeld gemeinsam einen regen Erfahrungsaustausch gepflegt. Etwa 130 Zahnmediziner, Mediziner und Therapeuten sowie Vertreter der Krankenkassen waren der Einladung gefolgt.
Prof. Dr. Bill Shaw aus Manchester, England referierte über die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der englischen Industriestadt und die daraus resultierenden Erfolge vergangener Jahre. Auch Prof. Dr. John Jensen aus Aarhus, Dänemark betonte die Bedeutung einer engen Kooperation von Ärzten, Zahnärzten und Logopäden, um für diese sehr spezielle Patientengruppe qualitativ hochwertige Behandlungsergebnisse zu erreichen. Fachliche Inhalte im Hinblick auf die kieferorthopädische Behandlung wurden von Frau Prof. Dr. Gunvor Semb aus Oslo, Norwegen erläutert, die auch in Manchester tätig ist. Ihr Vortrag markierte die einzelnen Therapieschritte in der Versorgung von spaltbedingten Lücken durch Implantate oder kieferorthopädischen Lückenschluss sowie die Aspekte von konservativen Therapiekonzepten und kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Kombinationsbehandlungen im Vergleich. An dieser Stelle wären Dokumentationen von aktuellen Behandlungsfällen hilfreich gewesen, die den aktuellen Leistungsstand des Spaltzentrums in Manchester objektiviert hätten. Als diskussionswürdig darf darüber hinaus auch die Einschätzung der Referentin angesehen werden, mit Nachdruck Osteotomien für die Gruppe der Spaltpatienten vermieden zu haben. Bezüglich der Bedeutung und Art der Behandlung aus HNO-ärztlicher Sicht konnten von Priv.-Doz. Dr. Godber Godbersen aus Kiel wertvolle Erkenntnisse vermittelt werden. Anschließend machte Frau Prof. Dr. Ute Pröschel aus Datteln deutlich, dass die Bedeutung der Logopädie zwar völlig unbestritten ist, dass es bis heute jedoch an Studien fehlt, die die Überlegenheit einzelner Behandlungskonzepte nachweisen. Den emotionalen Höhepunkt des Symposions stellte der Vortrag von Prof. Dr. Heinrich Brinkmann aus Gießen dar, der als Betroffener – „Spalti bleibt man sein Leben lang“ – als Philosoph und Vorsitzender der Wolfgang-Rosenthal-Gesellschaft einen ergreifenden Appell zur Integrität von LKG-Patienten in unserer Gesellschaft formulierte. Es sollte hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass er mit seinem Alter von etwa 70 Jahren doch eine andere Behandlungsära mitgemacht hat. Dr. Albino Triaca aus Zürich, Schweiz, zeigte abschließend eine Reihe beeindruckender Behandlungsresultate sekundärer Spaltchirurgie und verdeutlichte damit den Schwierigkeitsgrad sowie die Herausforderung für den Kieferchirurgen.
Das Ziel der Veranstalter war es, das Thema der Behandlung von LKG-Patienten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stellen, um die regionalen Kräfte zu bündeln und deren interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Als Erkenntnis der erfolgreichen Veranstaltung musste resümiert werden, dass die Behandlung von Spaltpatienten im Vergleich zu den europäischen Ländern hierzulande bis heute nicht einheitlich strukturiert und organisiert ist und dadurch Vergleiche in Bezug gerade auf die Qualität einzelner Therapiemaßnahmen kaum möglich sind. Kurz gesagt, es gibt kein deutsches Behandlungskonzept, aber – und das stimmt noch nachdenklicher – es fehlt auch an den nötigen randomisierten, kontrollierten, prospektiven Studien, um zu klären, wie LKG-Patienten am besten behandelt werden.
Gleichwohl werden sowohl in unserem Land als auch in unserer Stadt Spaltpatienten liebevoll und äußerst kompetent behandelt. Verschiedene Standorte der Charité haben ihre LKG-Sprechstunden, wobei der Großteil der Spaltpatienten im Campus Virchow-Klinikum operiert und betreut wird und seit mittlerweile mehr als 15 Jahren dort auch eine gemeinsame Sprechstunde mit Kieferorthopäden und Logopäden existiert.
Für Berlin und Brandenburg wäre es wünschenswert, wieder – denn vor der Wende hatte es an der Charité in Berlin-Mitte eine entsprechende Struktur für den Ostteil der Stadt und weit darüber hinaus gegeben – einen zentralen Anlaufpunkt als modernes Spaltzentrum für alle Patienten der Region zu etablieren Hierzu ist neben finanziellen Zusagen ein intensives Zusammenwirken aller verantwortlichen Experten wünschenswert. Zudem ist nachhaltig die Ermittlung von wissenschaftlichen Daten zu fordern, was Aufgabe der Universität sein dürfte, um die Effizienz unserer Behandlungsmethoden messbar zu machen.
Das 1. Berliner LKG-Symposion war dazu gedacht, die Zukunft für unsere Spaltpatienten zu verbessern. Es bleibt abzuwarten, wie das gezeigte Engagement einzelner Teilnehmer nun dazu führen kann, eine Strukturierung zu erlangen, die dazu geeignet ist, zum Wohle der Patienten ein hohes Qualitätsmanagement dauerhaft zu gewährleisten. Interessierte Kolleginnen und Kollegen werden gebeten, sich mit den Veranstaltern in Verbindung zu setzen, die kurzfristig einen Qualitätszirkel LKG gründen werden.